Dienstag, 22. April 2014

Spotify - Neue Grenzen der Musikbranche


Seit einigen Monaten bin ich fleißiger Nutzer von Spotify, dem "Musikstreaming-Dienst", an dem man Musik mit nur einem Klick anhören kann. Als Spotify vor etwas über einen Jahr in Österreich eingeführt wurde, sprachen diverste Medien von einer wahrlichen "Revolution" am Musikmarkt, denn die Musikbranche habe auf die geänderten Hörergewohnheiten reagiert und der Illegalität nun etwas entgegengesetzt. Spotify ist derzeit bereits in den meisten Ländern der Welt verfügbar und enthält die Musik von Sony, EMI, Warner Music, Universal und vielen weiteren Plattenfirmen. Doch wer geglaubt hat, dass man nun grenzenlos Musik hören kann, der irrt. Grenzen werden von den Plattenlabels noch immer hochgezogen. 



Vor Spotify war der Bezug von neuer Musik relativ umständlich - und teuer. Man musste sich die Musik entweder kaufen, in Musikportalen wie iTunes, oder man konnte YouTube Videos downloaden und konvertieren. Viele Leute wählten jedoch den illegalen Weg und bezogen ihre Musik auf zahlreichen Plattformen insbesondere aus Osteuropa. Das sorgte für einen enormen Schaden für die Musikbranche, der so Milliarden durch die Finger gingen, weil die Leute zwar die Musik ihrer Stars hörten, jedoch nichts dafür zahlten. Denn, ein Song kostet etwa bei iTunes etwa 2 Euro - mit hohen Summen zur Folge.

Spotify war dann der Wendepunkt, indem die Musikbranche erkannt hat, dass eine Änderung dieser Einstellung lebensnotwendig, ja sogar überlebensnotwendig ist. Auch Spotify ist nicht kostenlos, mit 9,90 EUR ist man in Österreich derzeit dabei und kann über eine riesengroße Musiksammlung, die alle Genres abdeckt verfügen. Im Vergleich zu den  hohen Summen von früher ein mutiger Schritt. 

Auch ich bin nach anfänglicher Skepsis auf Spotify aufmerksam geworden. Neben dem Anhören der Musik kann man die Musik auch downloaden und Playlisten anlegen. So kann man all seine aktuelle Musik nun unterbringen und kann sie auch Offline jederzeit hören (Spotify setzt eine Internetverbindung voraus). 

Die Welt schien perfekt - die ganze Musik der Welt auf Knopfdruck, säuberlich eingeordnet in Playlists nach Monaten geordnet - und dafür 9,90 als Pauschalbetrag zahlen! 

Doch Spotify hat wohl kaum mit meiner Internationalität gerechnet.  Denn für die Zusammenstellung der Alpemare Top 20 und der "New Music" besuche ich die Websites von Radiosendern in über 10 Länder, um so Woche für Woche, für mich eine aktuelle Zusammenstellung meiner Lieblingsmusik zu machen. 

Mein Lieblingssender Slam FM aus den Niederlanden bietet dafür ein besonderes Feature an: Die Top 40, die Charts des Radiosenders, kann man auch auf Spotify anhören und dementsprechend die Songs in seine lokale Playlist downloaden! Auf der Website versehen sie die Songs, die verfügbar sind mit dem grünen Spotify-Logo. Also entdeckte ich einen neuen Song - Calvin Harris mit "Summer" - und dachte mir: "Hey cool, es gibt ihn schon auf Spotify, gleich downloaden!". Doch als ich Interpret und Titel in die Suchleiste eingab, kamen bis auf seltsame "Tribute"-Versionen leider keine Ergebnisse. 
In der Web-Version von Spotify kann man den Song zwar ansehen, ihn aber nicht anhören, was für Musik eher kontraproduktiv ist. 

Der Gipfel der Spotify-Enttäschung kam dann in Frankreich, wo ich mit einem italienischen Freund unterwegs war. Kurz vor Abschluss der Reise erstellte er eine kleine Playlist und fügte all die Songs ein, die die Reise geprägt haben, er teilte die Playlist mit mir - aber ich konnte die Hälfte der Song nicht anhören, weil sie mit meinem österreichischen Account gesperrt sind. Ebenso wie "Summer" von Calvin Harris sind viele Songs in Österreich gesperrt. 

Das hat wiederrum mit der berühmter "Release-Verschiebung" und mit Österreich zu tun, was sich grundsätzlich immer an Deutschland orientieren muss - auch wenn es - wie im aktuellen Fall - die schlechteste Variante ist. 
Neue Musik erscheint nicht überall zeitgleich, sondern versetzt. Das ist gut für die Plattenlabels, weil die so den "Umsatzhöhepunkt", also den Produktlebenszyklus in jeden Land unterschiedlich gestalten können und so mehr Geld mit einem Song verdienen. Viele Jahre war das auch kein Problem, denn die Quelle für neue Musik war für die Leute ihr Radio und der Empfang ist natürlich beschränkt. Ohne Internet erfuhr man nichts von der Welt um einen. 
Doch die Zeiten haben sich geändert, mit dem Internet kann man Radioprogramme von der ganzen Welt und eben auch aus ganz Europa hören. Wer sich intensiv mit neuer Musik und mit verschiedenen Radiosendern in Europa beschäftigt, merkt, dass ein Song in Großbrittanien, den Niederlanden meist neu ist, dann nach einigen Wochen in Italien und Spanien anläuft und einige Monate später in Deutschland und Österreich ankommt und als "neu" angepriesen wird. 

Wie gesagt früher ging das, doch nun stehen mit dem Internet einen alle Kanäle offen. Als Österreicher höre ich somit gerne niederländische Radioprogramme (was natürlich zur Ausnahme gehört ^^) und höre die Musik, die die österreichischen Radiosender noch gar nicht spielen. Daher möchte ich auch diesen Song sofort downloaden und hören - und oft ist er eben auf Spotify nicht verfügbar, weil die Musikindustrie da "Njet!" sagt und ihren verschobenen Produktlebenszyklus anwenden will. 

Und generell ist die deutsche Musikindustrie etwas "seltsam" was die Verfügbarkeit von Musik betrifft - Österreich hängt hier natürlich wieder mit drinnen, weil man sich wie immer am großen Bruder orientiert.

Daher kann man  "Summer" von Calvin Harris derzeit nicht in Österreich hören, weil die Musikindustrie das nicht will. Die großen Unternehmen haben da aber etwas ganz einfaches vergessen: Wir leben nicht mehr im Jahre 1985 ohne Internet, sondern in einer weltweit global vernetzten Welt, wo man sich alles auf Knopfdruck besorgen kann - auch die Infos über neue Musik. 

Hier stellt sich nun die Frage, was die Musikindustrie will: Weiter den Kopf in den Sand stecken und sinnlos Blokaden im Internet aufbauen oder sich für die Usergewohnheiten des 21. Jahrhundert öffnen? Ein Österreicher und Italiener fahren nach Frankreich und hören einen tollen Song und wollen ihn auf Spotify hören, beide verwenden die gleiche Internetverbindung, aber nur einer darf den Song hören!? Beide zahlen aber für die Nutzung von Spotify einen gewissen Pauschalbetrag. 

Der grenzüberschreitende Informationssaustausch ist heute ungebrochen und macht auch bei der Musik nicht halt. Es ist hirnrissig zu denken, mit solch Blokaden kann man den Nutzer davon abhalten, die Musik, die er will hören. Denn der Österreicher wird nun wieder illegale Kanäle aufsuchen, um sich den Song zu besorgen, obwohl er gleich viel wie der Italiener für die Nutzung zahlt und der den Song hören darf? 

Liebe Musikindustrie, Grenzen gibt es heute keine mehr, in Zeiten einer Europäischen Union und eines weltweit vernetzten Internets, kann man nur eine klare Antwort geben: Weg mit den völlig überdrehten Blokaden von Songs in gewissen Ländern, Reform der Rechtevergabe - ansonsten scheitert auch Spotify und die Welt besorgt sich weiter illegal Musik - was auf Kosten der Künstler und der Musikindustrie geht. Genau die, die glauben, Grenzen aufzuziehen. "Wer Grenzen schafft, stirbt darin!"

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